Wer sie sind
Die TUAREG gehören völkerkundlich gesehen zu den Berber- stämmen, die als Ureinwohner der nördlichen Sahara-Regionen gelten. Aufgrund ihrer hellen Hautfarbe vermutet man, dass sie aus dem Mittelmeerraum in die Sahara zugewandert sind. Die TUAREG sind sicher die bekanntesten Saharaberber; ihre Gesamtzahl wird auf ca. 2 Mio Menschen geschätzt, die verteilt über die Staaten Libyen, Algerien, Mali, Niger und Burkina Faso leben. Rund 1 Mio der Tuareg leben in der Republik Niger, wo sie auch heute noch als Viehzucht-Nomaden unterwegs sind und die berühmten Salzkarawanen betreiben.
Man kann die TUAREG eigentlich nicht als einheitliche Ethnie bezeichnen, denn sie unterscheiden sich nicht nur stark in ihrem Äusseren, sondern sie haben auch je nach Herkunftsgebiet verschiedene Verhaltens- und Moralvorstellungen. Ihren Namen bekamen sie von ihren arabischen Nachbarn; er bedeutet soviel wie „die von Gott Verlassenen“. Sie selber benützen ihn in ihrer Sprache “Tamaschek” nicht. Sie bezeichnen sich schlicht als „kel tugulmust“ – die Menschen, die den Schleier tragen oder als „kel tamaschek“ – die Menschen, die Tamaschek sprechen.
Das Volk der TUAREG gliedert sich von alters her in mehrere Konföderationen, die wiederum aus unterschiedlich vielen Stämmen bestehen. Diese gehören verschiedenen Ständen der gesellschaftlichen Hierarchie an. Die TUAREG-Gesellschaft zeigt eine strenge hierarchische Schichtung, ähnlich dem indischen Kastenwesen: Adelige (Imajeghan), Schriftgelehrte (Ineselemen / Marabouts), verschiedene Vasallengruppen wie z.B. die Ziegenhirten (Imrad), die Oasenbauern (Iseggaren) und die Diener (Iklan). Ausserhalb der Hierarchie stehen die Schmiede (Enaden), welche zugleich verachtet und gefürchtet sind. Vom Haushaltsgerät über Schmuck bis zu Waffen und Zaumzeug stellen sie alles her, was in der TUAREG-Gesellschaft an Dingen benötigt wird. Den Schmieden werden auch besondere magische Kräfte nachgesagt. Ihre Frauen sind geschickte Lederhandwerkerinnen, die das Leder zu den im Nomadenhaushalt benötigten Matten, Beuteln und Taschen verarbeiten.
Früher lebten die TUAREG innerhalb ihrer sozialen Schicht streng von den anderen getrennt, doch waren die einzelnen Schichten durch Dienstleistungen und gegenseitige Abhängigkeiten aufeinander angewiesen. Die Schichtzugehörigkeit wird in einigen Stämmen über die Mutter weitergegeben, ebenso richtet sich die Stellung des Mannes nach derjenigen seiner Frau. Heute vermischen sich die Schichten zunehmend und Heiraten sowohl ausserhalb der eigenen Schicht als auch über Völkergrenzen hinweg ist möglich. Es gibt nicht mehr sehr viele hellhäutige TUAREG, die von den ehemaligen „Adeligen“ abstammen. Vor allem in den südlichen Gebieten haben sich ehemalige Herren mit den dunkelhäutigen Dienern und den schwarzafrikanischen Haussa-Völkern vermischt.
Die Stellung der Frauen
Zwar sind die TUAREG Muslime, doch sind sie noch stark in ihrer eigenen Kultur und Tradition verwurzelt. Im Gegensatz zu anderen muslimischen Gesellschaften besitzt die TARGIA (Tuaregfrau) eine hohe Stellung innerhalb der Familie und sie ist nicht verschleiert. Auch der in weiten Teilen Afrikas verbreitete grausame Brauch der Genitalverstümmelung fand nie Einzug in die Tuaregkultur. Die Frau muss bei der Heirat nicht Jungfrau sein, und sie darf in der Regel auch selber bestimmen, wen und wann sie heiratet (vorausgesetzt, ihr Auserwählter kann den Brautpreis bezahlen…).
TUAREG haben in der Regel nur eine Frau, unter dem islamischen Einfluss ist in neuerer Zeit aber eine Tendenz zur Polygamie festzustellen. Scheidungen sind ebenfalls nichts besonderes und können auch von der Frau ausgesprochen werden. Beide Partner haben dann das Recht, eine neue Verbindung einzugehen.
Die TARGIA ist Besitzerin des Zeltes sowie von allem, was sich darin an Einrichtungsgegen- ständen befindet. Sie verwaltet den Besitz und bestimmt die Verteilung der Nahrungsmittel. Auch in der Erziehung der Kinder und der Weitergabe der Tuaregkultur kommt ihr grosse Bedeutung zu. Die Männer widmen sich der Viehzucht und dem Karawanenhandel und sind oft monatelang von ihren Familien getrennt. Wenn man in die Sahara reist ist es deshalb nichts ungewöhnliches, von einer TARGIA in ihr Zelt eingeladen zu werden. Sie benötigt dazu nicht die Erlaubnis des Ehemannes.
Unter der fortlaufenden Islamisierung wird die TARGIA heute leider sukzessive in ihren Rechten beschnitten. Vor allem dort, wo die Leute auf Arbeitssuche in die Städte abwandern und die Frauen ihren Familien und ihren traditionellen Lebensstrukturen entrissen werden und fernab ihrer Familie plötzlich ganz auf sich alleine gestellt sind.
Wie sie leben
Die typische Behausung der Tuaregnomaden ist das Zelt, hergestellt aus geflochtenen Matten aus Blättern der Dumpalme. Das Zelt bleibt zeitlebens Eigentum der Frau. Sie stellt es her, baut es auf bzw. ab und transportiert es mit Eseln. Die meisten Tuareg im Niger sind Viehzuchtnomaden, die mit ihren Ziegen, Schafen und Kamelen ständig unterwegs sind auf der Suche nach geeigneten Weide- plätzen. Dabei bewegen sie sich aber meistens nur innerhalb eines bestimmten Perimeters um die Brunnen bzw. Wasserstellen herum. Kein Nomade reist ohne Grund und nur um des Reisens Willen!
In den grossen Dürreperioden, welche in den 70er- und 80er-Jahren die Sahelzone heimsuchten, sind zahlreiche Viehherden vernichtet worden. Die Nomaden konnten froh sein, wenn sie mit dem eigenen Leben davongekommen sind. Viele der ehemals stolzen Herdenbesitzer sind heute verarmt und leben am Rande der Dörfer und Städte. Das was sie haben reicht knapp zum Überleben.
Die Grundnahrung der Nomaden besteht aus Hirse oder Reis und Ziegenmilch. Besonders geschätzt wird Kamelmilch, der auch eine gewisse Wirkung als Heilmittel nachgesagt wird. Bei festlichen Anlässen wie Hochzeiten, Taufen etc. wird ein Schaf oder eine Ziege geschlachtet. In den letzten Jahren haben einige Tuareg auch damit begonnen, Gemüse und Früchte zu essen, die sie während und nach der Regenzeit in Gärten anbauen. Im wasserreichen Air-Gebirge werden in Oasengärten ganzjährig zahlreiche Gemüse und Obstsorten angepflanzt.